Ich beginne ganz von vorne:
Manchmal frage ich mich, wieso wir nicht immer den direkten Weg gehen. Wieso setzen wir Wissen, welches wir uns aneignen und für richtig befinden nicht direkt in die Tat um?! Wieso können wir Fehler nicht einfach umgehen, schlauer sein als die anderen und direkt nur das “Richtige“ tun?! Natürlich habe ich bei diesem Gedanken sofort den belehrenden Zeigefinger meiner Mutter vor Augen: „Es ist wichtig seine eignen Fehler zu machen, um daraus zu lernen“. Aber mal ganz ehrlich – wieso ist es notwendig Dinge zu tun oder zu erleben, die dein Leben zumindest temporär negativ beeinflussen, die man vielleicht sogar bereut? Nur um der Erfahrung wegen? Um anschließend die ganze Sache mit einem „ich mache Fehler, um daraus zu lernen“ rechtfertigen zu können?! Wieso nicht direkt lernen und erst gar keine Fehler machen?
Manchmal kommt es mir so vor, als würden wir eine plausible Ausrede für all unsere frevelhaften, unrühmlichen Momente der Schwäche suchen. Überspitzt könnte man genauso behaupten, dass ein Mörder nach seiner Tat hoffentlich gelernt hat, beim nächsten Mal den Mensch am Leben zu lassen. Wo steckt da bitte der Sinn, ich kann ihn nicht finden?! Ja ich mache meine eigenen Erfahrungen, zwangsläufig, denn ich bin alleiniger Herr meiner Sinne und Handlungen aber müssen es denn die falschen sein? Jetzt kommt der nächste Punkt. Wer definiert, was richtig oder falsch für dich ist? Ich gebe zu, ein Einwand, der auf den ersten Blick das Totschlagargument schlechthin darstellt. Nur ich selbst kann wissen, was gut für mich ist und das wiederum lehren mich meine Fehler. Dann stelle ich mir eine weitere Frag: Gibt es neben der subjektiven Wahrheit, eine objektive, universelle Wahrheit, die für jeden Menschen gleichermaßen das „Richtige“ ist?
Lasst es mich an einem Beispiel veranschaulichen: Die 10 Gebote. In der Bibel verankert, durch Jesus verkörpert, in Millionen Köpfen verinnerlicht sind. Du sollst nicht stehlen oder du sollst nicht töten heißt es – das ist für uns selbstverständlich, egal welcher Glaubensgemeinschaft wir angehören. Behauptet eine Person etwas Gegenteiliges, würde man sie als Psychopathen oder asozialen Spinner abtun.
Es scheint also, zumindest für bestimmte Dinge, sehr wohl eine Richtlinie ohne subjektiven Interpretationsspielraum zu geben. Mag sein, dass auch diese Dinge wiederum mit deinem individuellen Glaubensbild zu tun haben, Fakt ist aber, dass wir Menschen nicht umsonst existieren und ich daher eine positive Weltanschauung habe. Letztere beinhaltet ein friedvolles Miteinander, ganz ohne das Ausüben von Gewalt gegen Lebewesen. Diese Erklärung schließt also einen natürlichen Tod aus, ebenso das Töten unter Tieren, da diese nicht bewusst vernünftig sondern nach Instinkt handeln. Zurück zu den 10 Geboten. Ebenso wie diese Richtlinien, koexistieren andere Grundsätze, für deren Richtigkeit und Logik ich meine Hand ins Feuer legen würde. Wenn ich also das Glück erfahre, das Wissen darüber zu erlangen, ist es dann nicht Teil meiner menschlichen Pflicht mein Handeln danach auszurichten? Und ebenso wichtig: Dieses Wissen mit guter Absicht an andere weiterzugeben.
Ich könnte jetzt so einige Beispiele für genau diesen Denkvorgang aufzählen, eines davon liegt mir besonders am Herzen. Tiere nicht zu foltern, nicht zu misshandeln, nicht zu quälen und nicht zu töten ist eine der unantastbaren Richtlinien, die in einer positiven Weltanschauung existieren. Ich betone, es geht dabei nicht um den gesundheitlichen Aspekt, den gerade Omnivore immer wieder in Frage stellen, sondern ausschließlich um das Leid, das der Mensch bewusst der Tierwelt zufügt. Dafür braucht es keine wissenschaftlichen Studien, keine Glaubensdiskussionen – das ist die Realität, die man nicht schön reden kann. Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder Mensch, der von diesem Missstand weiß, muss seine Konsequenzen ziehen und umgehend eine tierfreie Ernährungsweise bzw. einen tierfreien Lebensstil pflegen. Alternativlos. Ein bisschen tierfrei funktioniert nicht.
Der Knackpunkt dieser Richtlinie liegt einzig und alleine auf dem Wort „Wissen“. Denn nur wer davon weiß, kann Handlungen seinem Wissen anpassen. Daher die Frage an euch, wie kann es falsch sein, sogar verwerflich sein, als wissender, aufgeklärter Mensch diese Erkenntnisse nicht weiterzugeben? Ist es nicht sogar ein Akt der Nächstenliebe, der Gemeinschaft zum Wohle aller dieses Wissen weiterzugeben?
Das ist also der Grund, weshalb ich mich oft über den, von der Gesellschaft legitimierten Freifahrtschein, in Form von Missachtung bzw. Ignoranz gegenüber dieser unantastbaren Richtlinien, aufrege. Und gleichzeitig absolut nicht nachvollziehen kann, wieso Menschen, die dieses Wissen an andere weitergeben möchten, derart missverstanden werden. Rückblickend wäre ich mehr als dankbar gewesen, hätte mich jemand vor zehn Jahren über die Grausamkeiten der Tierindustrie aufgeklärt. Aus gesundheitlicher Sicht wäre meinem Körper und vor allem den Tieren einiges erspart geblieben. Um wieder auf meine Ausgangsfrage zurückzukommen: Wieso also Fehler machen und diesen noch etwas Positives abgewinnen?
So schwer mir diese Erkenntnis manchmal fällt, muss ich mir eingestehen, dass ich einen entscheidenden Aspekt vergessen habe – unser Bewusstsein. Ja genau, darauf scheint es am Ende des Tages immer wieder herauszulaufen. Etwas zu wissen und sich etwas bewusst zu sein, sind zwei völlig verschiedene Paar schuhe. Sich etwas bewusst zu werden, gerade wenn es um moralische sowie ethische Grundsätze geht, kostet (leider) viel Zeit. Das zeigt auch meine persönliche Erfahrung in diesem Kontext. Ich musste erst physisch krank werden, um zu dem Wissen zu gelangen, das ich heute besitze. Um den jetzigen Bewusstheitsstand zu erreichen, hat es wiederum einige Anläufe, Erfahrungen, Probierphasen gedauert. Wie gesagt, manchmal ärgere ich mich darüber, dass ich nicht schon viel früher von alleine darauf gekommen bin. Andererseits kann ich nur erahnen, wie meine Reaktion auf so manches Wissen vor 10 Jahren bei mir angekommen wäre. Hätte damals jemand zu mir gesagt, ich solle von heute auf morgen sämtliche tierischen Lebensmittel von meinem Speiseplan verbannen, weil die Tiere darunter leiden, hätte ich diesem jemand wahrscheinlich den Vogel gezeigt – zumindest innerlich.
Was ist also die Voraussetzung, für unser Bewusstsein? Ich würde sagen eine Mischung aus, Bezug und Zeit. Genauer gesagt brauchen wir Zeit, um Bezug zu schaffen und diesen zu intensivieren, indem wir Emotionen damit verknüpfen. Wenn mir jemand ohne Vorwissen sagt, dass das Stück Fleisch auf meinem Teller einem Tier das Leben gekostet hat ist diese Information, so hart das klingen mag, zunächst neutral für mich. Mein Gehirn verbindet diese Info nicht mit einem emotionalen Ereignis, es berührt mich nicht, mein Verstand schaltet sich nicht ein, eher mein Verdrängungsmodus. Erst wenn ich anfange mich genauer mit dieser Information zu beschäftigen, entwickle ich ein Gespür, ein Gewissen dafür. Woher kommt dieses Stück Fleisch, welches Tier musste sein Leben dafür lassen, wie wurde es getötet und wie war sein Leben vor dem Tod? Wenn die bloßen Worte meine Vorstellungskraft übersteigen hole ich mir visuelle Eindrücke zur Hilfe. So kann ich mit eigenen Augen sehen, was dieses Stück Fleisch einmal ursprünglich war, wie es zugrunde gerichtet wurde und vor allem WER dafür verantwortlich ist. Ich kann wissenschaftliche Statistiken analysieren, um zu erkennen, dass dies kein Einzelfall darstellt und der Trend seinen Peak noch nicht erreicht hat. Ich kann mich darüberhinaus informieren, was andere Menschen zu diesem Sachverhalt sagen und welche Alternativen Handlungs- bzw. Ernährungsoptionen es gibt. Kann lernen, dass ich auch bzw. gerade tierfrei ein gesundes und glückliches leben führen kann.
Dann beginnt die Praxisphase. Ich versuche auf das tägliche Stück Fleisch zu verzichten. Es fällt anfänglich schwer, denn noch scheinen meine Geschmacksnerven überzeugter, als mein Wissen. Spätestens nach einem Besuch in einer Hühnermast, fasse ich kein Fleisch mehr an. Nach und nach folgen Eier, Milch, Käse, Quark und Joghurt. Hier und da werde ich kurz schwach aber rufe mir dann die schrecklichen Aufnahmen aus dem Hühnerstall ins Gedächtnis. Ich bleibe standhaft. Und plötzlich ist der Schalter umgedreht, ich bin sozusagen über den Berg. Ich verspüre kein Bedürfnis mehr tierische Nahrung zu konsumieren, noch wichtiger, ich kann es auch nicht mehr. Es lässt sich mit meinem Gewissen, meinen moralischen Wertvorstellungen nicht vereinbaren.
Diese neue Lebenseinstellung löst Schritt für Schritt eine Art Kettenreaktion der „Aha-Momente“ aus. Andere Missstände, für deren Existenz ich mitverantwortlich bin und somit aktiv vermeiden kann, kommen ans Tageslicht. Ich kann damit umgehen, es fällt nicht immer leicht und braucht seine Zeit aber es lohnt sich – ich fühle mich irgendwie freier, besser, mehr von Bedeutung.
Ich mache trotzdem Fehler, bin kein wertvollerer Mensch aber gehe durchaus bewusster und definitiv glücklicher durchs Leben…
Ich hoffe fest, dass sich mehr Menschen ihrer Verantwortung für sich selbst sowie unserer Welt bewusst werden, entsprechend handeln und mehr Offenheit gegenüber „Pflanzenessern“ und allen anderen Menschen, die etwas wichtiges zu sagen haben, an den Tag legen.
Stay inspired <3